Maritime Zentrum Elbinseln“ – das außergewöhnliche Projekt eines Schulleiters

Auch so kann Schule sein: Das „Maritime Zentrum Elbinseln“ in Hamburg-Wilhelmsburg ist das außergewöhnliche Projekt eines besonderen Schulleiters. Mithilfe von Forschern und Museen interpretiert Jörg Kallmeyer das Motto „fordern und fördern“ auf neue Art.

Ein Schild verrät, das wir hier an einer „Klimaschule“ sind, ein anderes, dass die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) besonders gefördert werden. Gelobt wird die Stadtteilschule Wilhelmsburg auch dafür, dass sie ihre Absolventen gut auf den Arbeitsmarkt vorbereitet. Und Partner von Hamburger Theatern ist sie auch noch. «Wir machen die Projekte aber nicht um der Projekte willen», sagt der Direktor. Aktionismus ist seine Sache nicht. Es gehe um langfristig positive Auswirkungen. Um Nachhaltigkeit eben.

Eines dieser Projekte ist das „Maritime Zentrum Elbinseln“ (MZE). Das ist kein spezielles Gebäude, sondern ein fiktives Dach, unter dem verschiedene außerschulische Lernorte vereint sind: Museen, Jugendzentren, der Hafen. Vor zwei Jahren hat die Schule das MZE zusammen mit dem Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven, dem Internationalen Maritimen Museum (IMM) Hamburg und Vertretern der Wirtschaft gegründet. Die Idee ist, Schüler abseits der Klassenräume praxisnah zu unterrichten. 
Wie etwa auf einem alten Lotsenboot, das am Elbufer vertäut liegt und auf dem einige Schulklassen einmal in der Woche ihren „Profiltag“ verbringen. Dann arbeiten die Jugendlichen ausschließlich an einem selbstgewählten Schwerpunkt, zum Beispiel „Forschen und Natur“, „Planung und Produktion“ oder „Künste“. Auf dem Boot ziehen sie Pflanzen groß oder bauen Tische. Für das nächste Schuljahr sind eine Kräuterspirale, Sitzecken und ein Aquarium geplant. Besonders praxisorientiert ist das „Haus der Projekte“, das im benachbarten Stadtteil Veddel steht, auch ein sozialer Brennpunkt. Das Haus gehört dem Verein Get the Kick, der mit der Stadtteilschule zusammenarbeitet. Hier machen die Schüler gemeinsam mit einem Kfz-Meister einen in seine Einzelteile zerlegten Traktor wieder fahrtüchtig, sie restaurieren alte Boote oder fertigen mit der Hilfe eines Bootsbauers eine fahrtüchtige Jolle. Sie kochen hier auch gemeinsam. «Manchmal», sagt Kallmeyer, «platze ich beinahe vor Stolz auf das, was die Schüler alles leisten.»

Und auch bereit sind zu leisten. Zum Beispiel, indem Achtklässler ihre Mittagspause dazu nutzen, um Informationen über das Forschungsschiff „Polarstern“ des AWI zu sammeln, als es im vorigen Jahr im Südatlantik unterwegs war. Via Satellit nahmen sie Kontakt mit den Wissenschaftlern auf, diskutierten über die Arbeit an Bord und die Ziele der Expedition. Später erstellten sie aus dem Material eine Präsentation über aktuelle Fragen der Meeresforschung, die sie in einer großen Ausstellung in der Schule zeigten – in Gegenwart der Forscher aus Bremerhaven, die kurz zuvor mit der „Polarstern“ zurückgekehrt waren.

Bei aller Begeisterung seiner Schüler weiß Kallmeyer aber auch: Ohne die Hilfe seiner Lehrerkollegen wäre so etwas nicht möglich. Deshalb 
ist die erste Woche der Sommerferien für den Direktor noch kein Urlaub.
 Ehe er in die Alpen fahren kann,
 muss er noch die «Ressourcenversorgung für das nächste
 Schuljahr» sichern. Damit
 meint er Geld und Personal. 
Gerade hat er wieder Bewerbungsgespräche geführt.
 Kallmeyer will nur bestimmte Lehrertypen an seiner Schule
haben. «Je schwieriger die soziale 
Lage, desto höher muss der Anspruch sein, die besten Leute einzustellen.» Was er braucht, sind Leute mit dem Willen, für die Kinder zu arbeiten.

Für sie ist die Zuwendung der Lehrer 
wichtig. «Bei vielen fehlt es an Vorbildern, 
an Orientierung aus dem Elternhaus», sagt Kallmeyer. Eine Aufgabe der Schule sei es, Struktur in den Tag zu bringen, Sicherheit zu geben und auch Leistungsbereitschaft zu vermitteln: «Viele Kinder wissen gar nicht, wozu es gut sein soll, sich für etwas richtig anzustrengen.»

Ob ein Lehrer, der sich bei ihm bewerbe, an seiner Schule richtig sei oder nicht, finde er schnell heraus: «Ich finde Lehrer nicht geeignet, dessen Schultag mit der ersten Stunde anfängt und pünktlich mit der letzten aufhört.» Früher organisierte er selber Leseabende, Exkursionen, Workshops – heute erwartet er dieses Engagement von seinen Mitarbeitern. Von seinem aktuellen Kollegium ist der Direktor begeistert. Die Motivation sei hoch, der Zusammenhalt stark, die Fluktuation gering, Eigeninitiative die Regel. Und seine Schüler lehrten ihn auch diesmal: «Wir können das.»

Quelle: G+J NG Media GmbH & Co. KG, nationalgeographic.de, zuletzt besucht am 30. Mai 2015