Unbemerkt von den meisten Berliner Bürgern dreht jedes Jahr von Mai bis September nach 22 Uhr ein Belüftungsschiff seine Runden im Neuköllner Schiffskanal und im Landwehrkanal. Doch warum das Ganze und wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass sich die Berliner Gewässer in derart desaströsem Zustand befinden?
Uwe Jaskolsky ist der Schiffsführer des Belüftungsschiffes „Rudolf Kloos“, eben jenem Schiff, dass bereits seit einigen Jahren die Berliner Fische in den sauerstoffarmen Monaten der Gewässer von der Gefahr des Todes bewahrt. Ausgerechnet die hohen Temperaturen im Sommer sorgen nämlich für ein stark erhöhtes Blaualgenwachstum. Blaualgen? Algen, das sind doch Pflanzen wie man annehmen möchte, die Photosynthese betreiben und somit Sauerstoff produzieren. Wie können Algen also für den Sauerstoffmangel in Gewässern mitverantwortlich sein? Das kommt dadurch Zustande, dass Blaualgen gar keine Pflanzen, sondern Bakterien sind, die zwar tagsüber bei Sonnenlicht durch Photosynthese Sauerstoff produzieren, in den Abend- und Nachtstunden aber ebenfalls Sauerstoff benötigen, sodass vor allem zur dunklen Tageszeit das Belüftungsschiff gebraucht wird, wenn der Sauerstoffgehalt durch den Sauerstoffverbrauch der Blaualgen Tiefstwerte erreicht, auch wenn die Werte tagsüber noch in Ordnung sind.
Doch die Blaualgen sind nicht allein an der Sauerstoffverarmung der Kanäle zuständig. Die eigentliche Ursache ist nämlich Abwasser, dass aufgrund von fehlenden Stauräumen, bei zu starken Regengüssen immer noch ungeklärt in die Gewässer geführt wird, um ein starkes Überlaufen der Gullys zu verhindern. Dieses Problem ist der Stadt seit den 90er Jahren bekannt und dennoch gibt es nur langsame Besserung der bestehenden Situation.
Um das Problem nachhaltig zu bekämpfen, muss nämlich der Speicher für Abwasser erhöht werden, der sich momentan auf 300.000 Kubikmetern beläuft, bis 2024 aber auf 400.000 Kubikmeter erhöht werden soll. Mit diesen Plänen befinden sich die Berliner Wasserbetriebe auf dem Weg in eine Zukunft, in dem hoffentlich kein Abwasser mehr in die Flüsse gepumpt werden muss und sich das Ökosystem der Berliner Kanäle von alleine tragen kann, auch ohne Hilfe der Belüftungsschiffe.
Bis das der Fall ist, wird das Belüftungsschiff allerdings noch einige Sommer lang dafür sorgen, dass es zu keinem dramatischen Fischsterben kommt und durch künstliche Sauerstoffzufuhr dafür sorgen, dass der Ökosystem der Berliner Gewässer nicht komplett aus dem Gleichgewicht gerät.
Das Belüftungsschiff versorgt die Gewässer im Übrigen mit Sauerstoff, indem durch sechs Tauchpumpen das kanaleigene Wasser angezogen wird und so in den Schiffsbauch gelangt, wo es durch mehrere Rohre fließt, in denen dem Wasser Sauerstoff hinzugefügt wird. Anschließend wird das nun wesentlich sauerstoffreichere Wasser zurück in die Kanäle gepumpt. So ist es möglich, den Sauerstoffgehalt zumindest für eine Nacht wieder soweit zu stabilisieren, dass die Fische sich nicht in Lebensgefahr befinden.
Das Belüftungsschiff an sich ist eine nur im Berlin vorkommende Art der Erhaltung der Gewässer. Bereits seit 1995 dreht es seine Runden auf den Kanälen. Doch bevor es zu dem Bau eines solchen Schiffes kam, mussten in den 1970ern und 1980ern die schlechte Erfahrung eines extremen Fischsterben gemacht werden und erst in diesem Frühsommer der vergangenen Jahres gab es eine Zeit, in der nach einem Gewitter mit Starkregen innerhalb von allein 4 Tagen, fünf Kubikmeter tote Fische aus den Gewässern gefischt wurden. Das muss uns und der Stadt zeigen, dass auch das Belüftungsschiff allein nicht ausreicht, um ein Fischsterben nachhaltig zu verhindern und das wir die Berliner Wasserbetriebe deutlicher in die Verantwortung ziehen müssen, damit das Abwasser nicht mehr unseren Gewässern zusetzen kann und die schönen Gewässer uns auch in Zukunft erhalten bleiben.